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Belohnung oder Strafe?

  • Autorenbild: Andrea Sydekum-Weber
    Andrea Sydekum-Weber
  • 9. Okt.
  • 14 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 10. Okt.

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Wer nicht sieht, was belohnenswert ist, erkennt die Strafe dahinter meistens erst recht nicht

Im Alltag mit unseren Hunden begegnen wir immer wieder der Frage

"Erkenne ich, was mein Hund gerade gut macht?" Die meisten Menschen sind schnell dabei, auf Fehler oder unerwünschtes Verhalten zu reagieren – Bellen, Ziehen an der Leine, Anspringen. Doch nur selten halten sie inne und bemerken die vielen kleinen Momente, in denen der Hund genau das Verhalten zeigt, das man sich eigentlich wünscht.


Die unsichtbaren Belohnungen im Alltag

Ein Hund, der entspannt neben uns herläuft, bellt gerade nicht.

Ein Hund, der geduldig wartet, springt gerade nicht an.

Ein Hund, der in schwieriger Situation stehen bleibt und uns anschaut, rennt gerade nicht los.

All diese Momente sind Gold wert. Sie sind belohnenswert.

Doch weil wir Menschen oft nur auf das „Problemverhalten“ fixiert sind, gehen uns diese Chancen durch die Finger. Wir merken nicht, dass unser Hund sich schon bemüht – manchmal leise, manchmal sehr subtil.

Wenn wir diese „guten“ positiven Momente nicht wahrnehmen, dann fehlt uns die Grundlage für eine faire Kommunikation.


Warum Strafe sinnlos ist

Viele greifen dabei vorschnell zur Strafe, wenn der Hund aus ihrer Sicht etwas „Falsches“ tut. Aber Strafe funktioniert nur dann in einem Lernprozess, wenn der Hund auch klar versteht, welches Verhalten stattdessen gewünscht und erfolgreich ist. Wenn ich nicht zeigen kann, was richtig ist, wie soll der Hund dann verstehen, warum das andere falsch war?

Ein Beispiel: Ein Hund springt aufgeregt an Besuchern hoch. Ich schimpfe. Der Hund hört auf – für den Moment. Aber was soll er stattdessen tun? Hinsetzen? Abwarten? Abstand halten? Wenn ich diese Alternativen nie bewusst lobe und belohne, kann Strafe nur Verwirrung stiften. Der Hund spürt lediglich Ablehnung, aber keinen Weg heraus.


Strafe empfindet der Hund anders, als wir es vielleicht meinen

Viele Menschen setzen Strafe ein, weil sie glauben, damit eine „klare Grenze“ zu zeigen. Sie möchten, dass der Hund versteht: „So nicht!“.

Doch Hunde nehmen Strafe nicht so wahr, wie wir es beabsichtigen.

  • Verlust von Sicherheit – Der Mensch, der sonst Orientierung gibt, wirkt plötzlich unberechenbar.

  • Angst und Unsicherheit – Anstelle von Klarheit spürt der Hund nur Druck.

  • Falsche Verknüpfungen – Ein Hund, der an der Leine bellt und dafür geruckt wird, verknüpft die Strafe oft nicht mit seinem Verhalten, sondern mit dem anderen Hund. Künftige Begegnungen werden dadurch noch schwieriger.

  • Gefühl der Hilflosigkeit – Weiß er nicht, welches Verhalten richtig wäre, zieht er sich zurück oder wirkt „gehemmt“. Nach außen erscheint das manchmal wie „braver Gehorsam“, tatsächlich steckt Unsicherheit dahinter.

Strafe ist also selten ein klares Signal, für Hunde ist sie meist ein diffuses, bedrohliches Erlebnis. Sie verstehen nicht: „Ich soll etwas Bestimmtes lassen“, sondern fühlen nur: „Etwas ist gefährlich, ich habe keine Kontrolle.“


Jede Form von Strafe löst beim Hund zunächst eine Stressreaktion aus – egal ob es sich um ein scharfes Wort, einen Leinenruck oder eine körperliche Blockade handelt. Sein Körper schaltet sofort in Alarmbereitschaft: Puls steigt, Atmung beschleunigt sich, Stresshormone werden ausgeschüttet.

Für den Menschen wirkt das oft so, als ob der Hund „einsichtig“ oder „gehorsam“ wird, weil er das unerwünschte Verhalten stoppt. In Wirklichkeit reagiert er jedoch nur auf den Stress, den die Strafe auslöst.


Das bedeutet:

  • Kurzfristig bricht er sein Verhalten ab, um die unangenehme Situation zu vermeiden.

  • Langfristig bleibt aber die eigentliche Ursache (z. B. Angst, Unsicherheit, Frust) bestehen – oder verstärkt sich sogar.

  • Emotional speichert er die Situation als bedrohlich ab. Das kann dazu führen, dass er das Umfeld (z. B. andere Hunde, Besucher, Leine) mit Stress verknüpft.

Strafe ist daher nie neutral. Sie hinterlässt Spuren im Nervensystem und verschiebt den Hund von einem Lern- in einen Stressmodus. Lernen unter Stress ist aber kaum möglich – Orientierung, Vertrauen und Kooperation gehen dabei verloren.


Hilflosigkeit aus Hundesicht

Hunde sind auf uns Menschen angewiesen. Wir entscheiden über Bewegung, Begegnungen, Futter, soziale Kontakte. Wenn Strafe eingesetzt wird, ohne Alternativen aufzuzeigen, geraten Hunde schnell in einen gestressten Zustand, den man als erlernte Hilflosigkeit bezeichnet:

  • Der Hund weiß nicht mehr, welches Verhalten richtig ist.

  • Er traut sich kaum noch, eigene Entscheidungen zu treffen.

  • Er zieht sich zurück, wirkt ruhig – doch innerlich ist er blockiert.

So entsteht der Eindruck eines „funktionierenden Hundes“. Doch in Wahrheit hat er aufgehört, eigene Lösungen zu suchen.



Der Blickwechsel im Training

Der Schlüssel liegt also darin, dass wir lernen, unser Augenmerk zu verschieben. Statt nur auf „Fehler“ zu reagieren, sollten wir für unseren Hund zum Experten darin werden, gutes Verhalten im Keim zu erkennen und zu fördern.

  • Er liegt ruhig, während ein anderer Hund vorbeigeht? → loben + belohnen.

  • Er schaut Dich an, statt in die Leine zu springen? → loben + belohnen.

  • Er entscheidet sich gegen das Bellen, obwohl er angespannt ist? → loben + belohnen.

Dieser Blickwechsel verändert langfristig eure Beziehung. Dein Hund lernt: „So wie ich es gerade mache, ist es gut, also lohnt es sich für mich.“


Fairness im Zusammenleben

Hunde leben im hier und jetzt und freuen sich oft über unsere Aufmerksamkeit und Verständnis. Strafe ohne Verständnis ist unfair. Und Verständnis entsteht nur dort, wo wir erkennen, was schon gut ist. In diesem Sinne, Wer nicht sieht, was belohnenswert ist, kann Strafe erst recht nicht gerecht anwenden. Ohne Orientierung bleibt Strafe unfair und richtet mehr Schaden als Nutzen an.



3 Situationen aus meinem Alltag, in denen Belohnungsmomente oft übersehen werden


Die Leinenführigkeit

Viele Menschen reagieren erst, wenn der Hund schon zieht. Sie werden körperlich, rucken, schimpfen oder bleiben stehen. Doch der entscheidende Moment ist eigentlich der, wenn die Leine locker hängt – auch nur für eine halbe Sekunde! Genau dann verdient der Hund Lob in Kombination mit Leckerchen (das können auch gern 3-8 Stückchen in manchen Momenten sein), denn nur so versteht dein Hund „Ah, bei lockerer Leine lohnt sich’s!“ Wer diesen kurzen Augenblick verpasst, konzentriert sich nur auf das Ziehen – und belohnt das „richtige“ Verhalten nie.


Begegnungen mit anderen Hunden

Ein Hund, der hochfährt, bellt oder in die Leine springt, bekommt sofort Aufmerksamkeit – aber meist negative. Doch oft gibt es einen Bruchteil von Sekunden, in denen er sich noch beherrscht: vielleicht ein kurzes Zögern, ein Blick zu dir, ein tiefes Durchatmen. Diese kleinen Zeichen der Selbstkontrolle sind große Lernmomente. Wenn wir sie übersehen, bleibt nur die Strafe für das Bellen. Wenn wir sie aber sehen und belohnen, stärken wir die Fähigkeit, das nächste Mal länger ruhig zu bleiben. Oder der Abstand sollte überdacht werden, ob es beim nächsten mal doch mehr Platz sein darf, oder ob es meinem Hund gesundheitlich auch wirklich gut geht.


Besuchssituationen

Viele Hunde sind aufgeregt, wenn es klingelt und jemand anschließend die Tür betritt. Springen, Jaulen, Wedeln – das volle Programm. Wir neigen dazu, genau das abzuwürgen, aber, es gibt fast immer eine Sekunde, in der der Hund noch sitzt, schaut oder sich zurückhält. Wenn wir diesen Moment z.B. mit Deckentraining in Kombination verstärken, sehen wir „Ruhiges Warten bringt Nähe und Belohnung.“ Wenn wir stattdessen nur schimpfen und den Hund maßregeln, bleibt die Aufregung bestehen – und der Hund weiß gar nicht, wie er es richtig machen soll.


Belohnung ist nicht „Bestechung“, sondern Orientierung. Sie zeigt dem Hund, welches Verhalten sinnvoll ist. Wer nur Strafe sieht, übersieht die Chance auf Entwicklung.


Der erste Schritt liegt also bei uns: Die Augen öffnen für die kleinen, unscheinbaren, aber so wertvollen Momente.

Denn dort beginnt das Lernen und eine faire Beziehung.



Was vielfältige Belohnungen ausmachen

Belohnung ist weit mehr als ein Keks aus der Tasche. Viele Menschen denken bei Belohnung sofort an Leckerchen – und bleiben dann irgendwann frustriert, wenn der Hund „satt“ wirkt oder in stressigen Situationen das Futter nicht mehr nimmt. Doch Belohnung ist vielschichtiger und lebt von Vielfalt und Individualität.



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Primäre Belohnungen – Nahrung

Natürlich: Futter ist eine starke und schnelle Verstärkung. Es wirkt oft unmittelbar und lässt sich gezielt einsetzen. Aber auch hier lohnt es sich, kreativ zu sein:

  • Unterschiedliche Leckerchen (weich, knackig, besonders lecker)

  • Abwechslung in der Menge (mal ein Krümel, mal der Jackpot)

  • Timing, sodass das Futter nicht ablenkt, sondern verstärkt



Unterschiedliche Möglichkeiten, wie ein Hund die Futterbelohnung erhalten kann

Eine Futterbelohnung ist nicht einfach „ein Leckerchen geben“. Der Weg, wie das Futter zum Hund gelangt, ist Teil der Verstärkung und beeinflusst Stimmung, Motivation und Lernwirkung:

Direkt aus der Hand

  • Bedeutung: sehr persönlich, nah, sozial bindend

  • Einsatz: beim Aufbau von Nähe, Blickkontakt, Kooperationssignalen

  • Wirkung: der Hund erlebt Dich als zentrale Quelle seiner Belohnung


Auf den Boden werfen

  • Bedeutung: regt das Suchverhalten an, wirkt spannungsabbauend

  • Einsatz: bei Hunden, die in Begegnungen Stress haben, oder um Bewegung einzubauen

  • Wirkung: der Hund senkt den Kopf, kommt zur Ruhe, löst sich aus einer fixierten Situation


In Bewegung füttern

  • Bedeutung: der Hund nimmt Futter im Laufen oder beim Herankommen

  • Einsatz: ideal beim Rückruf oder wenn der Hund gerade in Schwung ist

  • Wirkung: verknüpft Bewegung mit Belohnung, steigert Freude am Zurückkommen


Belohnung aus der Luft fangen

  • Bedeutung: dynamisch, spielerisch, aktivierend

  • Einsatz: für Hunde, die gerne jagen oder apportieren, als Jackpot-Moment

  • Wirkung: Spaßfaktor, schult Koordination, kann Energie positiv kanalisieren


Aus einem Futterbeutel oder Spielzeug

  • Bedeutung: der Hund „erarbeitet“ sich seine Belohnung

  • Einsatz: beim Apportieren, bei Suchspielen oder in Alltagssituationen, wo Futtertaschen praktisch sind

  • Wirkung: verbindet Spiel, Arbeit und Belohnung, steigert Motivation


Belohnung mit Verzögerung

  • Bedeutung: nicht sofort, sondern nach kurzem Ritual (z. B. Hund setzt sich – dann folgt das Futter)

  • Einsatz: um Ruhe zu fördern oder die Erwartungshaltung zu regulieren

  • Wirkung: der Hund lernt Geduld und Selbstkontrolle


Jackpot-Belohnung

  • Bedeutung: mehrere Stückchen Futter auf einmal oder besonders hochwertig

  • Einsatz: bei einem großen Durchbruch im Training oder wenn der Hund eine besonders schwierige Entscheidung getroffen hat

  • Wirkung: verstärkt stark, hebt die Stimmung und motiviert fürs nächste Mal


Primäre Belohnungen sind Dinge, die direkt ein Grundbedürfnis ansprechen:

  • Futtervielfalt: Käsewürfel, Fleischstückchen, Trockenfisch, Obst (Apfelstück, Banane), Gemüse (Karotte, Gurke) – immer individuell schauen, was der Hund mag und verträgt.

  • Wasser: Für manche Hunde ist ein Schluck Wasser nach Spiel oder Training die perfekte Belohnung.

  • Körperliches Wohlgefühl: z. B. die Leine abnehmen, den Hund schnüffeln lassen, die Möglichkeit, sich hinzulegen oder zu wälzen.

  • Rast & Pause: Gerade sensible Hunde erleben Ruhe selbst als Belohnung – z. B. nach einer Übung ein „Okay, jetzt darfst du entspannen“.



Soziale Belohnungen – Beziehung

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Viele Hunde genießen Nähe, ein freundliches Wort, ein Streicheln an der richtigen Stelle oder einfach dein Lächeln. Gerade im Alltag, wo man nicht ständig Futter in der Hand haben kann, sind soziale Belohnungen Gold wert. Sie zeigen: „Ich sehe dich. Ich freue mich über dein Verhalten.“

Weitere Beispiele für soziale Belohnungen, diese beziehen sich auf deine Nähe, Stimme und Interaktion:

  • Körperkontakt: sanftes Streicheln an Lieblingsstellen (meist Brust oder seitlich am Hals), eine ruhige Hand, die Sicherheit und wohlfühlen vermittelt.

  • Stimme: ein warmes, freudiges Lob, manchmal auch ein albernes „Party-Lob“, wenn etwas Großes gelungen ist.

  • Blickkontakt: Ein bewusstes Anlächeln oder zustimmendes Nicken – Hunde lesen unsere Mimik erstaunlich gut.

  • Gemeinsames Ritual: ein kleines Spielchen, ein Insider-Signal, das Freude ausdrückt („Yes!“, „Super gemacht!“).

  • Verlässlichkeit: zu spüren, dass man wirklich gesehen wird – allein das kann für viele Hunde schon enorm bestärkend sein.



Funktionale Belohnungen – Bedürfnisse erfüllen

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Für Hunde ist nicht immer nur „etwas bekommen“ eine Belohnung. Oft ist es ein Ermöglichen:

  • Die Leine locker lassen und den Hund an einer bestimmten Stelle schnüffeln lassen

  • Nach einem Moment der Ruhe den Hund weiterlaufen lassen

  • Ihm den Kontakt zu einem Hundekumpel ermöglichen, wenn er ruhig bleibt


Das heißt: Der Alltag selbst steckt voller Belohnungen, wenn wir lernen, sie bewusst einzusetzen, hier geht es um Belohnungen, die etwas ermöglichen, also Bedürfnisse erfüllen oder Handlungsspielräume eröffnen wie z.B.

  • Umgebung erkunden: „Du darfst dahin schnüffeln“, „Du darfst über die Wiese rennen“.

  • Zugang erlauben: zu einem anderen Hund (wenn freundlich), zu Menschen, zu einem spannenden Ort.

  • SELBST Entscheidung überlassen: z. B. Hund darf selbst entscheiden, welchen Weg er nimmt oder ob er bei einer Begegnung Abstand aufbauen möchte.

  • Spielzeug oder Objekt freigeben: das Lieblingszergel, ein Stöckchen, ein Ball.


Spiel und Bewegung

Viele Hunde lieben Bewegung oder gemeinsame Aktivität. Ein kurzes Zergelspiel, ein Rennmoment, ein gemeinsames „Yeah, los geht’s!“ kann ein aktivierendes Signal sein. Gerade in stressigen Situationen, wenn Futter uninteressant ist, bleibt Bewegung oft eine Möglichkeit, die Spannung abbaut und trotzdem belohnt.



Belohnungen im Bezug auf Alltagsstress

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Stress ist einer der häufigsten Gründe, warum Hunde scheinbar „nicht ansprechbar“ sind. In diesen Momenten greift manch einer vorschnell zu Strafe – doch die Lösung liegt oft darin, Belohnungen passend zu wählen.

  • Ein gestresster Hund nimmt vielleicht kein Futter. Aber ein kurzer Abstand zur Situation kann für ihn die größte Belohnung sein.

  • Ein Hund, der sich zurücknimmt, statt loszustürmen, profitiert, wenn er nach dieser Entscheidung eine Belohnung bekommt, die ihm Druck nimmt – z. B. mehr Distanz oder ein Signal, das ihn aus der Situation herausführt.

  • Ein Alltag, der reich an kleinen Belohnungsmomenten ist, baut Sicherheit auf. Der Hund weiß: „Mein Verhalten hat Einfluss. Es lohnt sich, mich zu bemühen.“

Belohnung wirkt damit wie ein Gegengewicht zu Stress. Sie schafft Orientierung, macht Handlungsalternativen sichtbar und stärkt das Vertrauen, dass der Hund im Alltag gebraucht.



Wenn Hunde hilflos und ausgeliefert sind, folgt meist die Strafe

Strafe ist ein heikles Thema im Hundetraining. Viele Hundehalter:innen greifen instinktiv zu ihr, wenn sie nicht weiterwissen: ein Schimpfen, ein Leinenruck, ein Abdrängen. Im Moment wirkt es manchmal sogar so, als würde es „funktionieren“ – der Hund unterbricht sein Verhalten. Doch was geschieht im Inneren des Hundes?


Typische Situationen, in denen Hunde Strafe erleben – und was besser wäre

Ziehen an der Leine

Was oft passiert: Der Hund zieht, der Mensch ruckt an der Leine oder schimpft.

Folge für den Hund: Schmerzen, Frust, und trotzdem das Bedürfnis, ans Ziel zu kommen, Orientierungslosigkeit.

Besser wäre: Belohne jeden Moment, in dem die Leine locker hängt – auch nur kurz. Gib dem Hund zusätzlich die Möglichkeit, kontrolliert dort anzukommen, wo er hinmöchte. So versteht er: „Lockere Leine = ich komme voran.“ Beachte dabei bitte unbedingt die Lernmöglichkeit, in welcher Umgebung ihr beginnt.


Anspringen von Menschen

Was oft passiert: Hund springt vor Freude hoch – der Mensch schiebt ihn grob weg oder drückt ihn nach unten mit den Worten "runter".

Folge für den Hund: Er lernt, dass Nähe gefährlich oder unangenehm ist, ohne zu verstehen, was er stattdessen tun könnte, da das Wort "runter" für ihn in dem Zusammenhang über keine Wirkung hat, da er es nicht versteht, nur das er immer noch nicht weiß, was er tun soll.

Besser wäre: Ruhiges Sitzen oder vier Pfoten am Boden sofort belohnen. Besuchspersonen einbeziehen: erst wenn der Hund sitzt, gibt es Aufmerksamkeit. So bekommt er gute Orientierung.


Bellen bei Begegnungen

Was oft passiert: Der Hund bellt an der Leine, der Mensch schreit ihn an oder zieht ihn zurück.

Folge für den Hund: Sein eigentliches Problem – Unsicherheit oder Stress – bleibt ungelöst, dazu kommt Angst vor dem Menschen.

Besser wäre: Schon die ersten Momente des Nicht-Bellens oder ein kurzer Blick zum Menschen belohnen. Abstand vergrößern, wenn nötig, und dem Hund zeigen: „Wir schaffen das, deine Selbstkontrolle lohnt sich.“


Nicht-kommen beim Rückruf

Was oft passiert: Der Hund kommt nicht sofort zurück, der Mensch schreit, wird wütend oder straft ihn beim Zurückkommen.

Folge für den Hund: Er lernt, zurückkommen bedeutet Ärger. Beim nächsten Mal wird er noch zögerlicher oder sucht kurz vorher etwas um nicht direkt zurück kommen zu müssen.

Besser wäre: Immer belohnen, wenn der Hund zurückkommt – auch wenn es gedauert hat. Je freudiger und einladend der Empfang, desto eher entscheidet er sich beim nächsten Mal schneller für den Rückruf.


Unerwünschtes Verhalten im Haus

Was oft passiert: Der Hund klaut etwas vom Tisch, zerlegt Schuhe oder springt aufs Sofa – und wird erwischt, angeschrien oder verscheucht.

Folge für den Hund: Hilflosigkeit – er versteht nicht, warum er bestraft wird, besonders wenn die Strafe zeitlich versetzt erfolgt.

Besser wäre: Management (z. B. nichts Fressbares unbeaufsichtigt lassen) und gleichzeitig Alternativen bieten – Kauartikel, erlaubte Liegeplätze. Gewünschtes Verhalten (z. B. auf die Decke gehen) konsequent belohnen.


Warum Alternativen so wichtig sind

Strafe mag Verhalten kurzfristig unterbrechen, aber sie zeigt nie den Weg. Hunde brauchen Klarheit, Sicherheit und das Gefühl, etwas richtig machen zu können. Nur so entsteht Orientierung statt Hilflosigkeit.


Strafe stoppt Verhalten – aber nicht die Emotion dahinter

Wenn ein Hund an der Leine bellt und ich ihn rucke oder anschreie, hört er vielleicht auf. Aber der Grund, warum er gebellt hat – Unsicherheit, Angst, Stress – bleibt bestehen. Mehr noch: Er lernt, dass sein Ausdruck nicht nur ignoriert, sondern zusätzlich bestraft wird. So entsteht ein gefährlicher Kreislauf: Gefühle bleiben bestehen, Ventile werden abgeschnitten, und der Hund fühlt sich überfordert und hilflos.


Hilflosigkeit aus Hundesicht

Hunde sind auf uns Menschen angewiesen. Wir entscheiden über Bewegung, Begegnungen, Futter, soziale Kontakte. Wenn wir Strafe einsetzen, ohne Orientierung oder Ausweg zu bieten, geraten Hunde schnell in einen Zustand, den man als erlernte Hilflosigkeit bezeichnet:

  • Der Hund weiß nicht mehr, welches Verhalten richtig ist.

  • Er traut sich kaum noch, eigene Entscheidungen zu treffen.

  • Er zieht sich zurück, wirkt „brav“ oder „unauffällig“ – tatsächlich aber ist er innerlich blockiert.

Ein solcher Hund erscheint nach außen oft „gehorsam“. In Wahrheit ist er ausgeliefert, weil er keinen Weg findet, den Druck zu entkommen.


Die Folgen von Strafe

Strafe hinterlässt Spuren – im Verhalten und in der Psyche:

  • Angst: Der Hund lernt, bestimmte Situationen mit Bedrohung zu verknüpfen.

  • Misstrauen: Die Beziehung zum Menschen leidet, Vertrauen bricht weg.

  • Stress: Dauerhafte Anspannung wirkt sich negativ auf Gesundheit und Lebensqualität aus.

  • Aggression: Manche Hunde weichen nicht zurück, sondern gehen in den Angriff – als letzte Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen.


Strafe ohne Ausweg – eine Sackgasse

Das größte Problem an Strafe ist nicht nur der Moment selbst, sondern das Fehlen einer Alternativinformation. Der Hund erfährt nicht: „So wäre es besser, probier das oder dieses.“ Stattdessen bleibt er allein, wie im Nebel. Der Hund lernt: „Egal was ich tue, nichts hilft mir, es ist alles falsch.“

Diese Ausweglosigkeit macht Hunde zutiefst verletzlich. Sie fühlen sich ausgeliefert – einer Situation, die sie nicht verstehen, und einem Menschen, dem sie eigentlich vertrauen wollen.



Wenn wir über Belohnung im Hundetraining sprechen, denken die meisten zuerst an das „Was“ – also an das Leckerli oder an ein Spiel. Doch ein ganz entscheidender Faktor wird dabei oft übersehen: die Betonung.

Die Art, wie wir loben, wie wir uns bewegen, wie wir klingen und wirken, bestimmt maßgeblich, welche Botschaft beim Hund ankommt. Ein und dasselbe Stück Futter kann entweder eine kleine Randnotiz sein – oder ein emotionaler Höhepunkt.



Unsere Stimme als Hilfe und Wegweiser

Hunde sind wahre Meister darin, unsere Stimmung zu erkennen. Nicht die Worte sind entscheidend, sondern Tonhöhe, Lautstärke und Emotion.

  • Freudig und hoch: vermittelt Begeisterung und Ansteckung. Perfekt für Situationen, in denen der Hund in Bewegung kommen oder Energie zeigen soll, etwa beim Rückruf.

  • Ruhig und tief: wirkt beruhigend und sicherheitsgebend. Ideal, wenn der Hund Ruhe lernen soll, beispielsweise bei „Bleib“-Übungen oder im Alltag bei Stress.

  • Sanft und weich: stärkt Vertrauen und Nähe, gerade bei unsicheren Hunden, die Ermutigung brauchen.

Schon ein einzelnes Wort kann je nach Betonung völlig unterschiedlich wirken – „Super!“ kann motivierend jubelnd klingen oder beruhigend warm.


Körpersprache – das nonverbale Signal

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Unsere Körpersprache spricht lauter als viele Worte. Hunde nehmen jede Bewegung wahr und interpretieren sie sofort.

  • Offen und einladend: weiche Gesten, leicht nach vorne beugen, lockere Haltung – das lädt den Hund ein, sich zu freuen oder Nähe zu suchen.

  • Ruhig und stabil: aufrecht stehen, klare, ruhige Bewegungen – das vermittelt Sicherheit in angespannten Momenten.

  • Spielerisch und dynamisch: schnelle Bewegungen, ein Hüpfen oder Beugen – das verstärkt Dynamik und Spaß.

Wenn wir unbewusst hektisch oder angespannt sind, transportieren wir genau das – auch dann, wenn wir eigentlich belohnen wollen.


Mimik – kleine Signale, große Wirkung

Hunde sind unglaublich feinfühlig, wenn es um Gesichter geht. Sie erkennen Stimmungen oft, bevor wir selbst sie bemerken.

  • Ernstgemeintes Lächeln und weiche Augen: Hunde spüren Authentizität. Ein Lob mit einem ehrlichen Lächeln wirkt stärker als jedes Leckerli.

  • Angespannte Gesichtszüge: Stirnrunzeln, zusammengekniffene Lippen oder ein gezwungenes „Gut gemacht“ schwächen die Belohnung oder machen sie unglaubwürdig.

Mimik ist der stille Verstärker – oder der stille Saboteur – unserer Belohnungen.


Dynamik – die unsichtbare Ebene

Belohnung ist nicht nur Inhalt und Form, sondern auch Dynamik. Die Stimmung, mit der wir etwas geben, färbt auf den Hund ab.

  • Hohe Dynamik: jubelnd, dynamisch, motivierend – ideal, um einen Hund beim Rückruf oder beim Spiel richtig mitzunehmen.

  • Niedrige Dynamik: ruhig, tief, besonnen – ideal, um Ruheverhalten, Gelassenheit oder Sicherheit zu verstärken.

Das Entscheidende: Die Dynamik sollte zum gewünschten Verhalten passen. Ein aufgeregtes, hohes Lob für eine „Bleib“-Übung belohnt nicht Ruhe, sondern fördert ungewollt Aufregung.


Warum Betonung so wichtig ist

Belohnung ist Kommunikation. Und Kommunikation lebt davon, wie wir etwas sagen, nicht nur was wir sagen. Ein Stück Futter ohne Emotion ist wie ein Händedruck ohne Blickkontakt – funktional, aber ohne Gefühl.

Mit der richtigen Betonung dagegen wird jede Belohnung zum emotionalen Anker:

  • Der Hund spürt Wertschätzung.

  • Er fühlt sich verstanden.

  • Er lernt nicht nur Verhalten, sondern auch eine Stimmung: Freude, Sicherheit, Vertrauen.

Wenn wir lernen, auf unsere Betonung zu achten, können wir die Motivation unseres Hundes gezielt steigern, Ruhe bewusst verstärken, unsicheren Hunden mehr Sicherheit geben und gleichzeitig die Bindung zu ihnen vertiefen. Auf diese Weise wird aus einer simplen Belohnung ein toller Moment der Verbindung der für beide Seiten fair ist.


Fairness bedeutet Verantwortung

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Unsere Aufgabe als Bezugspersonen ist es, Orientierung und Unterstützung zu geben. Das heißt:

  • Verhalten nicht nur stoppen, sondern Alternativen aufzeigen.

  • Nicht nur reagieren, sondern präventiv erkennen, was den Hund überfordert.

  • Belohnungen bewusst einsetzen, um den Hund zu stärken, statt ihn mit Strafe zu schwächen.

Ein Hund, der sich sicher fühlt, ist nicht brav aus Angst, sondern kooperiert, weil er vertraut und versteht, was er für weitere Möglichkeiten hat.


Strafe ist keine Lösung, sondern ein Signal der Hilflosigkeit, auf unserer Seite. Für den Hund bedeutet sie oft Angst, Stress und Ausgeliefertsein. Wenn wir hinschauen, erkennen wir: Ein Hund, der „Probleme macht“, ist meist ein Hund, der Unterstützung braucht. Nicht Strafe. Veränderung geschieht nur dort, wo wir fair, bewusst und belohnend arbeiten. So geben wir Hunden nicht nur Orientierung, sondern auch das Gefühl, verstanden zu werden. Jede Strafe ist für Hunde eine Erfahrung von Kontrollverlust – sie wissen nicht, wie sie es besser machen sollen. Unsere Verantwortung liegt darin, nicht auf Fehler zu lauern, sondern Chancen zu nutzen, Momente von Ruhe schaffen, Selbstkontrolle und Kooperation bewusst sehen und belohnen.

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So verwandeln wir Hilflosigkeit in Vertrauen – und Strafe wird überflüssig.



 
 
 

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